Nationales Sinfonieorchester der Ukraine
Raphaela Gromes, Violoncello
Volodymyr Sirenko, Leitung
- Dvořák: Konzert für Violoncello und Orchester h-moll op. 104
- Dvořák: Symphonie Nr. 9 e-moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“
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Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden
Mit Raphaela Gromes steht eine Solistin auf der Bühne des Prinzregententheaters, deren Konzerte das französische Klassikmagazin Le Diapason als „Stunde voller Glück“ bezeichnet. Das Spiel der international renommierten Cellistin ist ebenso von Ausdruckskraft und Perfektion geprägt wie ihr soziales Engagement, weit über ihre Heimatstadt München hinaus.
Gromes eröffnet den Abend mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine und Dvořáks Cellokonzert h-moll, das mit seiner tiefgreifenden Melodik als eines der bedeutendsten und schönsten Cellokonzerte überhaupt gilt. Und das, obwohl der Komponist das Violoncello eigentlich gar nicht mochte und als Soloinstrument für ungeeignet hielt. Dvořák weilte während der Arbeit an diesem Konzert 1894/1895 noch in New York, war aber mental schon auf der Reise zurück in seine geliebte und innig vermisste böhmische Heimat. Ein Jahr zuvor entstand auch seine berühmte Neunte, die Symphonie „Aus der Neuen Welt“, mit der das 1918 gegründete Nationale Sinfonieorchester der Ukraine unter der Leitung seines Chefdirigenten Volodymyr Sirenko den Abend beschließt.
Raphaela Gromes und das Nationale Sinfonieorchester der Ukraine
Ende 2023 reiste Raphaela Gromes in die Ukraine, um ein Solidaritätskonzert mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Ukraine in Kyjiw zu spielen. Was damals begann, wird nun mit gemeinsamen Konzerten in Deutschland weitergeführt.
Wie kam die Zusammenarbeit mit dem Orchester zustande?
Raphaela Gromes: Ich war am 24. Februar 2022, als der russische Angriffskrieg auf die Ukraine begann, wie wahrscheinlich fast alle, sehr schockiert. Weil mir die russische Kultur durch die Musik und die Literatur immer nah war und ich mir nie hätte vorstellen können, dass die Russen tatsächlich in die Ukraine einmarschieren und einen völkerrechtswidrigen Krieg beginnen. Ich bin gleich auf einige Friedensdemos gegangen und war extrem berührt und beeindruckt vom Engagement der Ukrainerinnen und Ukrainer, ihr Land zu retten und für Freiheit und Demokratie zu kämpfen.
Dann habe ich das Ukrainische Nationalorchester bei einer Tournee in Deutschland gehört und sie nach dem Konzert angesprochen. Ich war sehr berührt von dem, was sie mir erzählt haben, und sagte, dass ich gern jederzeit nach Kyjiw kommen würde einfach aus Solidarität, um dort für die Menschen zu musizieren und um ihnen zu zeigen, dass wir da sind und an sie denken. Der Intendant des Orchesters hat sofort gesagt: Gern, machen wir einen Termin aus! Und kurz vor Weihnachten 2023 hat es endlich mit einem gemeinsamen Konzert in Kyjiw geklappt.
Wie erlebten Sie Ihren Aufenthalt im Kriegsgebiet und was waren die Herausforderungen?
Raphaela Gromes: Als ich um fünf Uhr morgens aus dem Fenster blickte, als ich die Ukrainische Grenze mit dem Nachtzug von Warschau aus überquerte, sah ich draußen die Panzer und Soldaten. Da war mir zum ersten Mal mulmig zumute. Ich hatte zuvor eine App installiert, die jedes Mal ein Signal gab, sobald Luftalarm ausgelöst wurde. Als sie dann in Kyjiw zum ersten Mal losging und ich fragte, in welchen Bunker wir jetzt gehen müssten, war das ein seltsames Gefühl – weil außer mir niemand darauf reagierte. Viele meinten: „Wir gehen nicht wegen jedem kleinen Alarm sofort in den Bunker, wir können nicht jedes Mal unser Leben anhalten.“ Erst wenn ein richtiger Raketenangriff drohe, würden sie reagieren. Die Menschen in Kyjiw versuchen ihren Alltag so normal wie möglich zu leben. Deshalb finden dort ja auch Konzerte statt. Nur gibt es in ihrem Leben dennoch diese extrem erhöhte Grundspannung.
Das Konzert selbst habe ich in wunderschöner Erinnerung: durch die immer angespannte Situation war die Konzentration auf der Bühne absolut. Ich hatte noch nie das Gefühl, so präsent zu sein wie in der Ukraine. Weil man weiß, jede Sekunde kann etwas passieren. Dadurch entsteht eine Dankbarkeit für den Moment und eine erhöhte Aufmerksamkeit, die letztlich den Flow für die Musik erleichtert. Jeder auf der Bühne weiß, wir spielen jetzt für das Leben und die Zukunft.
Was nehmen Sie persönlich von diesem Projekt mit?
Raphaela Gromes: Vieles. Zum einen habe ich jetzt sogar noch mehr Respekt vor dem Mut und der Entschlossenheit und Stärke der Ukrainerinnen und Ukrainer als vorher.
Zum anderen habe ich verstanden, dass sich der russische Angriffskrieg auch gegen die ukrainische Kultur richtet – ein Kulturkampf, der schon mit der richtigen Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt – Kyjiw in der ukrainischen Transliteration – beginnt.
Das Land verteidigt einerseits seine Demokratie, außerdem würde ein russischer Sieg das Ende der nationale Identität der Ukraine und damit eine Russifizierung bedeuten. Daher ist es wichtig, ukrainische Eigenheiten zu betonen und auf die Musikkultur hinzuweisen, die in diesem Land einen hohen Stellenwert innehat. Daher sind auch die Musiker aus dem Orchester vom Militärdienst befreit.
Zudem ist mir die Bedeutung von Kultur und Musik in Zeiten des Krieges und überhaupt in diesen schweren und düsteren Zeiten so klar geworden wie nie zuvor: Ich habe nach dem Konzert in Kyjiw mit einem Soldaten gesprochen, der hat mir gesagt hat, dass es das Gefährlichste für ihn ist, im Krieg seine Menschlichkeit zu verlieren, weil alles, was man sieht, so furchtbar ist und einen innerlich abtötet. Daher versucht er, sich an jedem freien Tag mit kulturellen Dingen zu beschäftigen, indem er Musik hört oder Museen besucht. Musik hilft den Ukrainern, nicht abzustumpfen. Krieg ist die furchtbarste Situation, die vorstellbar ist, wenn man täglich von Toten und Verletzten hört. Die ständigen Angriffe in der Nacht zermürben, der Mensch geht in Erstarrung und wird zu einer Art Roboter. Ein Freund sagt mir, dass er Nachts bei den Bombenangriffen nur noch kurz aufwacht, um zu schauen, ob er noch lebt. Morgens geht er dann wie automatisch in die Arbeit, Platz für Emotionen bleibt nicht, die Emotionen wären nicht mehr aushaltbar.
Musik entfacht in einer solchen Situation dennoch das Feuer im Herzen und die Berührbarkeit, sie gibt Licht in den dunkelsten Stunden und hilft, zu trauern und die Verluste zu verarbeiten. Und zuletzt gibt sie Hoffnung und Kraft, wieder aufzustehen. Auf unserer Tournee spielen wir daher für die Menschlichkeit und gegen das, was Putin macht. Für ihn spielt der einzelne Mensch, auch auf der russischen Seite, keine Rolle. Soldaten sind für ihn Kanonenfutter, das er seiner imperialistischen Großmacht-Idee opfert.
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